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Germany Trade & Invest Interview

  • Writer: DGWA
    DGWA
  • Aug 6
  • 6 min read

Schlüsselrolle: Afrikas Bedeutung bei den kritischen Rohstoffen


Der geopolitische Wettlauf um kritische Rohstoffe hat sich verschärft.


Lieferengpässe, etwa bei Gallium oder schweren Seltene Erden, lassen schmerzhaft erkennen, dass der Industriestandort Deutschland ohne gesicherte Lieferketten in seiner Existenz gefährdet ist. Wir sprachen mit Gründer und CEO der DGWA Stefan Müller über die Rolle Afrikas beim Aufbau strategischer Rohstoffpartnerschaften für deutsche Unternehmen.  


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Herr Müller, wie wichtig ist Afrika als Standort und Partner für die Sicherung kritischer Rohstoffe?


Afrika verfügt über bedeutende Vorkommen nahezu aller kritischen Rohstoffe und gilt unter Experten als eine der rohstoffreichsten Regionen der Welt. Besonders im Bereich strategischer Mineralien wie Kobalt, Lithium, Graphit oder Seltene Erden besitzt der Kontinent enormes, bislang oft unerschlossenes Potenzial. Etwa 30 Prozent der globalen mineralischen Rohstoffreserven befinden sich in Afrika.


Auf dem Kontinent ist Energie knapp und es fehlt die Infrastruktur - sicher ein entscheidendes Problem für Unternehmen.


In dieser Hinsicht hat Afrika keinen offensichtlichen oder generellen Standortnachteil gegenüber anderen Weltregionen. Man darf zumindest nicht pauschalisieren, denn auch in abgelegenen Regionen z.B. Brasiliens oder Kanadas sind die logistischen Herausforderungen und die Anbindung an die Strom- und Wasserversorgung oft komplex. Darüber hinaus hat Kanada beispielswiese extrem lange Genehmigungsphasen und Australien die wohl höchsten Personalkosten in der Branche. In Afrika haben wir es mit über 50 Ländern zu tun, daher erfordert auch hier jedes einzelne Projekt eine individuelle Betrachtung und Bewertung.

Stefan MüllerStefan Müller

Afrika ist stark von informellen Geschäftsbeziehungen geprägt. Wir haben oftmals autoritäre Strukturen. Wie gehen Projektentwickler damit um?


Die Rahmenbedingungen sind in Afrika anders als in der westlichen Welt. Aber das gilt auch für andere Regionen, z.B. in Südamerika. Es gibt leider immer noch Länder in aber nicht nur in Afrika, in denen die Etablierung seriöser Rohstoffprojekte oder ganz allgemein die Industrialisierung und damit der Grundstein für wachsenden Wohlstand der Menschen wohl noch lange auf sich warten lassen, aber in der Mehrzahl der Länder in Afrika liegen stabile Rahmenbedingungen vor.


Bei der Umsetzung der Projekte erweist sich ein verständnisvoller Pragmatismus oft als hilfreicher als eine unrealistische Hypermoral und das noch immer bei vielen Europäern spürbare Überlegenheitsgefühl. Solche Haltungen stoßen vielerorts zu Recht auf Enttäuschung und Ablehnung.


China dominiert nicht nur beim Abbau, sondern insbesondere bei der Verarbeitung.  


Wer in der Frühphase - bei der Exploration und Erschließung - finanziell einsteigt, der nimmt bei der Entwicklung der betreffenden Mine und schließlich bei der Sicherung einer Lieferkette eine Pole-Position ein. Das Glas ist aber immer noch halb leer, wenn wir uns z.B. durch Abnahmevereinbarungen den Zugriff auf die Rohstoffe sichern, diese jedoch immer noch nach China verschiffen müssen, um sie dort weiterzuverarbeiten.  


China verfügt bei der Verarbeitung kritischer Rohstoffe über einen überwältigenden Know-How Vorsprung. Hier müssen wir schnellstmöglich ansetzen und eigene Kapazitäten aufbauen. Dabei bin da grundsätzlich Optimist: Wenn die Chinesen kritische Rohstoffe verarbeiten können, dann können wir das auch!


Ist die Verarbeitung von Rohstoffen in Afrika machbar?  

Ja, sie ist machbar und gewünscht und wird z.B. durch entsprechende Gesetze in immer mehr Ländern nun auch verpflichtend. Auch der Westen unterstützt diese Entwicklung, denn es ist nicht nur nachhaltiger, bereits teilweise verarbeitetes Material - und somit mengenmäßig deutlich weniger - zu verschiffen, sondern es werden auch Arbeitsplätze vor Ort geschaffen.  


In den Unternehmen trifft man - anders als noch vor 20 Jahren - auf allen Ebenen auf hochqualifizierte lokale Mitarbeiter. Viele der Verantwortlichen verfügen dabei über internationale Ausbildung und Erfahrung. Auch hier eine sehr vielversprechende Entwicklung. Allerdings kann es wegen einer geringen Industrieverflechtung zunächst Grenzen geben; wenn beispielsweise Industrien als Abnehmer für die Reststoffe bzw. Nebenprodukte aus der Verarbeitung oder weitere Inputs für den chemischen Prozess fehlen.


China investiert massiv in afrikanische Bergbauprojekte; aber auch die USA tun dies, die klassischen Bergbauländer Kanada und Australien und zunehmend europäische Länder. Deutschland ist besonders zurückhaltend, wie kommt‘s?  


Zunächst einmal liegt es daran, dass wir im Zuge der Globalisierung große Teile unseres Bergbau Knowhows begraben haben. Ohne relevante Bergbauindustrie sind die Banken nicht tätig und die Politik nicht sensibilisiert. Über Jahrzehnte hat die Industrie Ihre Rohstoffversorgung hauptsächlich über entsprechende Börsen und Händler sichergestellt, getreu dem Motto „ich weiß nicht wo es herkommt – und ich will es auch nicht wissen“. ESG-Standards, Lieferkettengesetze und ganz besonders die Angst von gefährlichen Abhängigkeiten erzwingt nun ein Umdenken, ob gewollt oder nicht. Leider findet dieser Prozess gerade hier in Deutschland viel zu spät statt, denn die Anzahl interessanter Projekte und damit die Menge an verfügbaren Rohstoffen ist zumindest kurz bis mittelfristig begrenzt und die Entwicklungszeiten neuer Projekte lang. Wir müssen daher schnellstmöglich handeln und uns klar machen, dass auch in Ländern mit anderen, zumeist geringeren Standards Rohstoffprojekte nicht nur möglich, sondern bis zu gewissen Grenzen auch nötig für unsere Rohstoffversorgung sind.


Wir beobachten jedoch, dass dieser Prozess des Umdenkens an Fahrt aufnimmt. Immer mehr auch große Unternehmen und Investoren aller Art wagen sich Schritt für Schritt entlang der Lieferketten näher an die Rohstoffproduktion heran und engagieren sich in verschiedenen Formen, um die Liefersicherheit schneller in Produktion zu bringen Alternativen zu China und anderen zu gewährleisten.  


Wer von Seiten der deutschen Wirtschaft sollte besonders aktiv beim Aufbau einer Lieferkette sein?

 

Lieferketten bestehen - wie der Name ja schon sagt - aus mehreren Gliedern. Die abnehmende Industrie wie auch Investoren, egal ob staatlich oder privat - können sich daher auf allen Levels engagieren und für mehr Sicherheit oder beschleunigte Umsetzung sorgen. Dies ist nicht nur nötig, sondern aus wirtschaftlicher Sicht oft auch attraktiv, so haben wir haben ein Investmentvehikel zur Finanzierung der Explorationsphase bis hin zum Nachweis der wirtschaftlichen Machbarkeit entwickelt, welches z.B. mit Entwicklungsbanken umgesetzt werden könnte, um so vielversprechende Projekte schneller in Produktion zu bringen. Wenn diese und andere Investments allerdings ausbleiben, müssen sich die Endabnehmer als die Leidtragenden überlegen, wie sie sich engagieren, um die Liefersicherheit zu garantieren.


Bei den großen Automobilherstellern und auch in der Rüstungs- und Elektroindustrie gibt es dabei unterschiedliche Sichtweisen, ob man sich jetzt an Minenunternehmen beteiligen soll oder nicht. VW beispielsweise hat sich kürzlich an einem kanadischen Lithiumunternehmen beteiligt; auch Tesla und Stellantis sind an Bergbauunternehmen beteiligt. Andere sind unschlüssig oder wollen sich zumindest aktuell noch nicht weiter hoch in der Lieferkette engagieren.  


Die Bundesregierung und die EU sichern kritische Rohstoffe durch Diversifizierung, Recycling und strategische Projekte. Im Rahmen des Critical Raw Materials Act der EU hat die Bundesregierung einen Rohstofffonds aufgelegt, den die KfW verwaltet. Was kann die Politik noch tun?  


Die deutsche Regierung muss viel aktiver in die Rohstoffsicherung eingreifen. Wir müssen die bestehenden Wirtschaftsbeziehungen im Bereich der Rohstoffpartnerschaften z.B. mit Australien und Kanada noch weiter intensivieren und weitere, z.B. in Südamerika und eben Afrika, aufbauen. Dabei ist es wichtig, diese so langfristig und sicher wie möglich auszugestalten.  


Die deutsche Politik muss sich zudem mehr mit den Realitäten auseinandersetzen. Rohstoffe sind begrenzt, die Geologie besteht buchstäblich aus harten Fakten, und die Rahmenbedingungen sind nicht beliebig gestaltbar. Geschwindigkeit ist zentral im Bergbau. Und die Chinesen sind bekanntlich bei ihren Entscheidungen und bei der Finanzierung extrem schnell. Wir müssen viel mehr investieren, um die Rohstoffproduktion so schnell wie möglich hochfahren zu können. Der Rohstofffonds der KfW reicht dabei bei weitem nicht aus.  


Wie in der Industrie stellen wir aber auch in der Politik ein Umdenken fest, ob selbst gewollt oder durch den aggressiven Kurs Chinas und der immer mehr von Rohstoffaspekten getriebenen Außen- und Wirtschaftspolitik der USA spielt dabei keine Rolle. Wichtig ist, dass sich die Dinge zu einer aktiveren Außenwirtschaftspolitik bewegen, flankiert von entsprechenden Finanzierungsinstrumenten.  


Kann man eigentlich vom Staat verlangen, dass er in den risikobehafteten Bergbau einsteigt?


Natürlich, der Staat muss einsteigen, weil es sich um ein existenzielles Problem für den Wirtschaftsstandort Deutschland handelt. Angesichts der realen Risiken für die Wirtschaft brauchen wir schnell eine Bündelung privater und staatlicher Aktivitäten und Investitionen. Die absoluten Summen bleiben dabei aber überschaubar, denn es geht hauptsächlich um Engagements von maximal zweistelligen Millionenbeträgen je Projekt in der frühen Entwicklungsphase bis hin zum Nachweis der wirtschaftlichen Machbarkeit. Ist diese erbracht, stehen klassische Investoren und z.B. auch die KfW bereit, um die Mine und damit die Produktion zu finanzieren und somit Rohstoffversorgung und Arbeitsplätze zu sichern. Angesichts der aktuell im Raum stehenden dreistelligen Milliardenbeträge zur „Wiederbelebung“ der deutschen Industrie also sehr überschaubare „win-win“ Investments.  


Nochmals: Ohne kritische Rohstoffe werden wir uns im Rennen um Zukunftsindustrien sehr schwertun und laufen Gefahr, unseren Ruf als hochentwickeltes Industrieland auch ganz grundsätzlich in Frage stellen zu müssen.


Europas Herangehensweise beim Aufbau von Lieferketten ist weniger aggressiv als die Chinas und oder auch der USA. Ist das ein Nachteil? 


Wir sind auf jeden Fall nicht so übergriffig und aggressiv wie andere, aber eben auch nicht so schnell und flexibel. Zumindest haben Deutschland und seine Unternehmen zumeist einen guten Ruf in Afrika und auch sonst in der Welt, wir begegnen unseren Partnern eher auf Augenhöhe und sind zuverlässig. Das wird positiv gewertet, aber es wäre etwas zu weit hergeholt, dies direkt als Wettbewerbsvorteil zu verbuchen. Denn ohne eigenes Engagement - sprich Investments - fehlen uns den Mitbewerbern gegenüber die entscheidenden Argumente.


Das Interview führte Fausi Najjar von Germany Trade & Invest im Juli 2025.


 
 
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